Kreiser, Kindheit und Jugend

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Sein treuer Lehrer und Freund Schicht hatte ihn inzwischen auch nicht im Stich gelassen. Das Verhältnis Reissigers zu ihm war im Gegenteil förmlich das eines Sohnes geworden. Wir werden nicht fehlgehen, wenn wir vermuten, daß Reissiger auch Schicht, der nun schon älter war (geb. 1753), in seinen Amtsgeschäften unterstüzte und gewiß auch an der vor kurzem erschienenen großen, historisch bedeutsamen Leipziger Choralsammlung (1819) durch seine Assistenz beim Sammeln des Materials beteiligt war. Als Frucht dieser Tätigkeit können wir die Komposition von 300 Chorälen einige Jahre später für Bunsen in Rom ansehen. Sein Versprechen, sich für Reissiger zu verwenden, hatte Schicht in selbstlosester Weise immer zu erfüllen getrachtet. Nun aber sollte sein edles Streben bald eine herrliche Krönung erfahren. Es war ihm gelungen. von seinem Schwiegersohn Weiße und Leipziger und Berliner Bekannten eine größerer Summe: zu erhalten, die er Reissiger als Stipendium für eine dreijährige Studienreise übergab. Wahrlich, so einen Freund zu haben. konne sich Reissiger glücklich schätzen. Schicht selbst stellte damit seiner wahren Kunstbegeisterung ein schönes Zeugnis aus. Wie er über seinen Schützling dachte, wir haben es schriftlich in der Empfehlung, welche er ihm mit auf die Reise gab: „Wenn vielseitige Verdienste in der Musik, Literatur, Unterrichtsmethode und Moralität einen jungen Mann zu einer guten Anstellung berechtigen, so würde zuverlässig Herr Carl Gottlieb Reissiger, gebürtig aus Belzig bei Wittenberg, der obigen Anforderungen vollkommen Genüge geleistet, eine besondere Auszeichnung und Vorzug vor vielen andren seines Faches verdienen. Da auch gedachter Herr Reissiger ein Zögling unserer Thomasschule war und besondere Lust zum Gesange, Orgel- und Pianofortespiel, wie auch zur Komposition bezeigte, so nahm ich keinen Anstend, ihm in diesen Zweigen der Tonkunst besondere Unterweisungcn zu geben. Zu seinem Ruhme und zu meiner Freude machte er darinnen so schnelle Fortschritte, daß man ihn gegenwärtig, nachdem er sich nun ganz der Musik gewidmet und noch mehr Zeit auf eigene Übung hat wenden können, unter die Vituosen im Pianoforteapiel, im Gesange, und zu den erfindungsreichen, mit guter Melodie und Harmonie ausgerüsteten Komponisten zählen kann. Beweise seines Fleißes und ausgezeichneten Talentes hat er schon öffentlich abgelegt. Indem von ihm schon mehrere Werke im Stiche bei Breitkopf und Härtel und bei Peters crschienen sind und die weit größere Zahl seiner Motetten und anderer Tonstücke sich noch im Manuskript befindet. – Bescheidenheit, Rechtlichkeit und humanes Betragen sind überdies die Grundzüge seines Charakters.“
Schicht riet ihm, als Ziel zunächst Wien ins Auge zu fassen, und so verließ er denn 1821, nach zehn glücklichen Jahren in Leipzig, die gastliche Musenstadt, um auf Reisen seinen Gesichtskreis zu weiten.

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13. 2. 2014 von Christian