§ 1.
Der Kapellmeister Sr. Maj. des Königs von Sachsen ist gehalten, diesem seinem allergnädigsten Herrn treu, gehorsam und ergeben zu sein und dessen Befehlen, sowie den Anordnungen der Generaldirektion der kgl. Theater und musikal. Kapelle stets pflichtmäßig Folge zu leisten. Seine Pflichten beziehen sich a) auf die Kirchenmusik. b) auf die Kammermusik, c) auf das kgl. Theater.
§ 2.
In bezug auf die Kirchenmusik ist der Kapellmeister verpflichtet, von drei Wochen zu drei Wochen jedesmal sieben Tage hintereinander alle in diese Zeit fallenden Kirchenmusiken, welcher Art sie auch sein mögen, zu leisten.
§ 3.
Im Fall eintretender Krankheit des anderen Kapellmeisters oder des Kirchenkompositeurs hat er sich mit dem Anderen in Übertragung des Geschäfts zu teilen, sowie überhaupt in bezug auf die Kirchenmusik mit dem dabei angestellten Dirigenten stets in gleichem Verhältnis der Dienstleistungen zu bleiben, ja selbst eintretendentalls die Direktion zu überrnehrnen.
§ 4.
Jegliches jahr ist er verbunden, unentgeltlich eine Messe und eine Vesper‚ auch so oft, als es Se. Kgl. Maj. befehlen wird, gleichermaßen ein Oratorium zu komponieren.
§ 5.
Was die Kammermusik anbetrifft, so gehört selbige zwar ausschließlich zu dem Ressort des I. und ältesten’ Kgl. Kapellmeisters, im Falle derselbe jedoch durch Krankheit oder Abwesenheit behindert sein sollte, oder Se. Kgl. Maj. ausdrücklich den jüngeren Kapellmeister zu beauftragen geruhen würden, so liegt ihm ob, bei Tafelmusiken oder Hofkonzerten die Anordnung und Leitung derselben zu übernehmen.
§ 6.
Er hat alsdann der Generaldirektion deshalb die nötigen Vorschläge zu tun, die behufigen Musikstücke auszuwählen und die benötigten Proben zu halten.
§ 7.
Bei den Konzerten oder Tafelmusiken führt er die Direktion und erhält dafür, wenn dieselben außerhalb Dresdens stattfinden, nächst freiem Fortkommen nur die vorschriftsmäßige Auslösung.
§ 8.
In allen Fällen gehört aber zu seiner Anstellung, dalß, wenn von dem kgl. Hofe dabei seine eigene Mitwirkung auf dem Fortepiano verlangt würde, er solche ohne weitere Entschädigung zu leisten habe.
§ 9.
In Ansehung endlich der Theatermusik, so ist derselbe zwar hauptsächlich für das deutsche Singspiel angestellt, er hat jedoch in Krankheits-, Abwesenheits- oder sonstigen Verhinderungsfällen, sowie bei eintretender Vakanz des anderen Kapellmeisters dessen ganze Besorgungen auch bei der italienischen Oper zu übernehmen und dasjenige zu verrichten, was diesem dabei obliegt.
§ 10.
Bei der deutschen und in den nach den vorgehenden §§ eintretenden Fällen bei der italienischen Oper hat er für gute und zweckmäßige Auswahl derselben zu sorgen und hierüber sowohl, als wegen Besetzung der Parten seinen Vortrag auch der Generaldirektion zu machen und von dieser die Genehmigung zu erwarten.
§ 11.
Ist solche erfolgt, so liegt ihm das Einstudieren der neuen Opern dergestalt ob, daß er die ersten Proben mit den Sängern davon zu halten hat, wie dieselben zweckmäßig zu leiten, dann kann er zu seiner Erleichterung das Geschäft dabei dem Korrepetitor übertragen, ist aber verbunden, die Orchester- und Generalproben wieder selbst zu dirigieren.
§ 12.
Alle Opernpartituren hat er genau durchzugehen und nötigenfalls nach dem Bedürfnis des hiesigen Theaters einzurichten, so wie ihm auch obliegt, im Falle ein oder das andere Stück darin fehlte oder eine Einlage wesentlich notwendig wäre, solche selbst und unentgeltlich zu fertigen.
§ 13.
Sollten in Schauspielen wesentliche Musikpartien vorkommen. so hat er solche ebenfalls zu dirigieren, in der Regel aber bleiben solche dem Konzertmeister oder nach befinden dem Korrepetitor überlassen.
§ 14.
Hiernächst soll derselbe in der Regel jährlich eine neue deutsche Oper für die Kgl. Theater schreiben, wofür ihm die gewöhnliche, verhältnismäßige Gratifikation verabreicht wird.
§ 15.
Endlich hat er überhaupt alle diejenigen Befehle Sr. Kgl. Maj. pünklich zu besorgen, welche ihm Allerhöchst derselbe in bezug auf seine Anstellung als Kapellmeister noch außerdem zu erteilen für gut erachten werden.
Dresden, am 8. Mai 1828.
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Reissiger ist übrigens der letzte Kapellmeister, welcher noch verpflichtet wurde, Messen und Opern für Dresden zu schreiben (die Kapellmeister nach ihm: R. Wagner, Rietz, Krebs wurden nicht mehr gezwungen), so daß mit ihm gewissermaßen die „Musik am sächsischen Hofe“ in dem Sinne, daß die Kompositionen nur für Dresden geschrieben werden, aufhört. Streng eingehalten wurde das Gebot ohnehin nur für die Kirchenmusik, aber schon bei Reissiger scheint man auch darin nachgiebiger verfahren zu sein, denn wir lesen. daß z. B. einige seiner Messen auch auswärts aufgeführt wurden (Wien, A. M. Z. 1840, S. 723. Erfurt, A. M. Z. 1842, S. 778).