Kreiser, Zeitgenossen

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auf Seiten 107-108 :

Kapitel 8.

Einige Urteile Reissiger über berühmte Zeitgenossen und Werke.

Als Schlußkapitel seien noch einige Urteile veröffentlicht, die Reissiger über berühmte Zeitgenossen und Werke gelegentlich gefällt hat. Die schon im vierten Kapitel über französische und italienischen Musikverhältnisse handelnden Urteile sind hier nicht noch einmal berücksichtigt.
Über die „Hugenotten“ schreibt er 1838: „Gestern hatten wir die dritte Aufführung der Hugenotten. Der Beifall war immer noch groß und der Andrang zu den Plätzen ungeheuer. Für unsere sämtlichen Kräfte, Sänger, Orchester und Chor, ist es eine Prachtvorstellung, die mir selbst großes Vergnügen macht, wenn ich auch der Musik nicht durchaus Beifall geben kann. Dem ganzen vierten Akte muß ich indes Klassizität beimessen. Übrigens wie im „Robert der Teufel“ kokett und gesucht. Die Instrumentalpartie jedoch schöner.“ (Bekanntlich gilt heute der vierte Akt als der wertvollste.)
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„Halévys Jüdin habe ich sehr zusammengestrichen, und durch diese Reinigung ist mir diese Oper sehr genußreich geworden; in dem Kerl steckt etwas mehr als in Meyerbeer.“ (Bekanntlich ist das heutige Urteil über die Jüdin in dem Punkte der Striche dasselbe.
1847 heißt es von Mendelssohn, dem Reissiger ein Trio gewidmet hat: „Mendelssohns schneller Tod hat uns alle sehr betrübt. Er wird in seinen vielen Meisterwerken lange in uns fortleben. Ich habe nie mit ihm Abgötterei getrieben, das ist der einzige Fehler, den ich mir gegen ihn vorzuwerfen habe. Viele verständige und ruhige Musiker meinen, daß er für seinen Ruhm zu rechter Zeit gestorben ist. Seine neueren Kompositionen, selbst sein Elias, den ich zweimal gehört, sind etwas matt sind ärmer an Erfindung.“ 1839 hatte Reissiger über Mendelssohns Person geschrieben: „auf ein paar freundliche Zeilen von ihm kann ich nicht rechnen, da wir beide immer auf Hofton leben, id est: es findet leider keine Annäherunig zwischen uns statt, was ich bedauere, weil die Schuld nicht an mir liegt. In meinen Briefen an ihn zeige ich ihm den Freund und dann gewiß nie den Kapellmeister, ich schreibe ihm warm und voller Anerkennung und Hochachtung. Hat er mir etwas zu schreiben, so ist es abgemessen und so, als wenn ich an den kalten Spontini schreibe. Er vemutet, daß ich stolz bin und auf meine Steilung eingebildet. Wer mich näher kennt, weiß, daß mir beides fremd ist.“ (Der berufliche Verkehr zwischen Gewandhausdirektion Leipzig und dem Dresdner Hoftheater, welcher sich hauptsächlich auf Notenleihen bezog, geschah immer in entgegenkommendster Weise. Vergl. ‚Briefe im Archiv der Firma Breitkopf & Härtel, Leipzig.)
Die Ouvertüre zur .“Undine“ von E. T. A. Hoffman nennt Reissiger ein „recht braves, aber nicht mehr zeitgemäßes Stück“. „Genie hatt Hoffmann für die Musik durchaus nicht.“
Händels Samson betreffend schreibt Reissiger: „Es ist aber auch ein köstliches, frisches Werk, und während in den meisten Oratorien Händels die Arien Perücken und Zöpfe aufhaben, sind die meisten Arien hierinnen neu und gefühlvoll.“
Kalkbrenner ist ihm als Komponist „ekelhaft“, während von einer großen Auswahlsendung, welche vierzehn Komponisten umfaßt und ihm von Breitkopf übergeben war, er nur Chopin zum Kaufe auswählt.

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20. 2. 2014 von Christian