musikalische Bildung

Reissiger schreibt in einem Bericht aus Mailand (1825) an den preußischen Minister v. Altenstein (Kreiser S. 39-40):

„Auch sollten Komponisten und Virtuosen oder vielmehr die Jünglinge, die sich dazu bestimmen, mehr zum Gesang angehalten werden. Der Gesang vorzüglich leitet uns auf das Wahre und Richtige im Vortrag und Ausdruck, durch ihn wird der Sinn fürdas Schöne geweckt und unser Herz aufgeschlossen, durch ihn wird unser Gefühl am kräftigsten geweckt. Wir finden diese Behauptung in der theoretischen und praktischen Tonkunst bestätigt; man sagt, dieser Komponist schreibt mit Gefühl, er schreibt fürs Herz, hat guten Gesang; sein Gesang, tief in seinem Innersten empfunden, spricht angenehm die Herzen der Zuhörer an – fehlt ihm jedoch der Gesang, so mag er die größten Künsteleien machen, viel Kenntnis, Phantasie, Erfindung zeigen. mag gut und effektvoll instrumentieren und gut deklamieren, aber er wird kalt lassen. Das Nämliche erfährt ein Geiger und ein Bläser, wenn er ohne Gefühl spielt und keinen Gesang hat. Im Gesange liegt die größte Kraft der Musik. In unserm Innersten erzeugt, quillt er als die belebteste Sprache dessen, was wir innerlich fühlen, hervor. Und wie wünschenswert wäre es, daß sowohl die.Musiker als die Zuhörer sich ruhig und mit prüfendem Urteil und reinem Gefühl auf diesen Standpunkt stellten, dann würde es nicht mehr möglich sein, einer Musik Beifall zu zollen, die es mit nichts als dem äußeren Sinn zu tun hat; man würde eine Musik nur mit steter Beziehung auf das Innere hören und geben. Das leere Wesen, der geistlose und herzlose Klingklang müßten von solchen Instituten, wo Knaben und Mädchen gebildet werden, um dereinst durch ihr Talent den Ton anzugeben und aufs Publikum zu wirken, völlig verbannt sein.“

13. 2. 2014 von Christian